Johndonnerstag 2: Gestern sank die Sonne hin und ging doch wieder auf
Obligates Update zu Johndonnersag 1: Goe, and catche a falling starre:
Wie meiner werten Auftraggeberin Hille Perl bei Lieferung der Übersetzungen für die Dowland-Vertonungen für ihre eigene Präsenz versprochen, hab ich mich an einen Extended Remix — das ist: eine Übersetzung aller fünf Strophen des Song II statt nur der üblichen und für die CD eingesungenen drei gesetzt. Und siehe: Es verträgt die Länge ganz gut. Meines Wissens ist das jetzt die einzige einigermaßen zugängliche deutsche Version des vollständigen Gedichts. Man korrigiere mich notfalls, aber die Reste von Vordtriede bringen es gar nicht und Koppenfels nur dreistrophig.
Wie lebendig John Donne ist, hat spätestens die Perl-Santana-Mields-Sirius-Viols-Sammlung über John Dowland Loves Alchymie 2010 gezeigt. Da werden sich Exzellenz wohl noch wünschen dürfen, dass eins seiner schönsten Gedichte wenigstens einmal vollständig irgendwo steht.
——— John Donne,
nach 1604, veröffentlicht 1633:
Song IISweetest love, I do not go, Yesternight the sun went hence, O how feeble is man’s power, When thou sigh’st, thou sigh’st not wind, Let not thy divining heart |
Lied IILiebste mein, Süßeste, nein, Gestern sank die Sonne hin Ach, wie schwach der Mensch, der ringt, Wenn du seufzest, seufzt kein Wind – Glaub nie in deinem ahnungsvollen |
Dieses Luminarium überhaupt, es rockt ungemein. Was allein im Donneschen Song II für Lieder drinstecken, von denen der teure Verstorbene nichts wissen konnte.
Der Anklang am Anfang ist seinerseits schon wieder in Vergessenheit, weil es ein schon angegrautes Lied von der Ersten Allgemeinen Verunsicherung ist (Neppomuk’s Rache, 1990):
Arrivederci, ciao, ciao, mon amour,
wie konnte ich mich nur erdreisten?
Du bist mir zu kostbar, zu gut eine Spur,
ich kann mir dich nicht mehr leisten.Arrivederci, ciao, ciao, mon amour,
ich weine nicht, wenn ich scheide.
Arrivederci, ab jetzt wein ich nur
noch, wenn ich Zwiebeln schneide.
Das hört erst auf mit The only thing that looks good on me is you (irgend so ein Bryan Adams), „all mein Blut und mein Leben“ ist selbstverständlich das Ännchen von Tharau, Anfang dritte Strophe ist „When you’re smiling“ – Louis Armstrong, späterhin als Dixieland-Standard missbraucht – und die letzte Strophe riecht mir stark nach Love Me Tender. Das Allerbeste an dem ganzen Extended Remix ist der Anfang zweite Strophe. Herrschaften, hoffentlich ist das ein Original von mir. Das hat fühlbar — durch Donnes Verdienst — die Qualität von „Das ist nicht die Sonne, die untergeht, sondern die Erde, die sich dreht“, der Sokrates-Zuschreibung durch Tomte. Das will ich singen können.
Die Überschrift heißt aus gleichen Gründen wie beim ersten Song („Goe and catch a falling star“) Lied statt Song, klar. Im übrigen veröffentliche ich hier meine Versuche nach einer angemessen Zeitspanne, weil weder Hille sie verwendet noch Sony sie bezahlt hat, und da inzwischen wohl auch nichts mehr nachkommt.
Bild: Cover Loves Alchymie, 2010.
Soundtrack: John Dowland auf John Donne: Sweetest Love I Doe Not Goe,
aus: Hille Perl, Lee Santana, Dorothee Mields, Sirius Viols, a. a. O., 2010:
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