Doctor Fausti Weheklag und Höllenfahrt

Das Habe-nun-Ach für Angewandte Poesie.

Johndonnerstag 3: Wiser far than I

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Obligates Update zu Johndonnerstag 2: Gestern sank die Sonne hin und ging doch wieder auf:

——— John Donne:

The Bait

Come live with me, and be my love,
And we will some new pleasures prove
Of golden sands, and crystal brooks,
With silken lines and silver hooks.

There will the river whisp’ring run
Warm’d by thy eyes, more than the sun;
And there th‘ enamour’d fish will stay,
Begging themselves they may betray.

When thou wilt swim in that live bath,
Each fish, which every channel hath,
Will amorously to thee swim,
Gladder to catch thee, than thou him.

If thou, to be so seen, be’st loth,
By sun or moon, thou dark’nest both,
And if myself have leave to see,
I need not their light, having thee.

Let others freeze with angling reeds,
And cut their legs with shells and weeds,
Or treacherously poor fish beset,
With strangling snare, or windowy net.

Let coarse bold hands from slimy nest
The bedded fish in banks out-wrest;
Or curious traitors, sleeve-silk flies,
Bewitch poor fishes‘ wand’ring eyes.

For thee, thou need’st no such deceit,
For thou thyself art thine own bait:
That fish, that is not catch’d thereby,
Alas! is wiser far than I.

Wie versprochen und all meiner Erinnerung nach waren die Übersetzungen der metaphysischen Gedichte von John Donne et collegae für Loves Alchymie pünktlich im Oktober 2010 fertig. Darunter findet sich eine schön marschierende Version von The Bait.

Alexander Scott Harris, Marandah Chaffée, Light Reading, 25. Januar 2016Irgendwas ist ja immer: Ohne Hille Perls kenntnisreichen Hinweis darauf, dass in The Bait der für Donnes Empfinden zu populäre Christopher „Kit“ Marlowe verulkt wird — Shakespeares beste Konkurrenz, den Sie aus Shakespeare in Love von 1998 kennen — hätte ich nicht einmal die parodierende Tonart ins Ohr genommen. Und wie um des Himmels willen parodiert man Marlowe?

Nach zwei, drei Tagen so vergnüglichem wie unnützem Blättern in meinem herumgilbenden Penguin-Marlowe erwies es sich als hilfreich genug, so altertümelnd zu schreiben, wie ich sowieso dauernd rede. Das schmeichelt dem Textfluss, es ist ja auch so ein wässeriges Thema. Dazu musste ich einfach zulassen, nicht geradezu verhindern, dass Strophe 1 so unvermeidlich nach dem Erlkönig klingt, und schon gibt’s einen intertextuellen Bezug, der als Parodie durchgeht, was griechisch ist und „Gegen-Gesang“ bedeutet. So viel Glück — soviel schon als nächste Versprechung — hatte ich bei den nächsten Übersetzungen nicht.

Vor allem war der Rhythmus des Originals nicht einzuhalten, egal ob ich mir drei Stunden oder drei Jahre Zeit zum Einlesen und Umschmelzen genommen hätte: Englische Wörter sind nun mal kürzer als deutsche. Da musste ich vor allem in Strophe 5 ein Stück Inhalt opfern, das der Gesamtaussage hoffentlich nicht zu viel abbricht.

Die Silben der einzelnen Verse sind mit Daktylen statt Trochäen aufgefüllt, die von Natur aus eine Senkung mehr haben und meinem bisherigen Überblick nach nirgends knitteln — was meint: Die Hebungen stimmen überall; zu den Senkungen haben die bisherigen Jahre des Abstands nichts geholfen, dass ich kalten Herzens noch mehr hinauskicken wollte. Wer sich heute meine Übersetzung ohne das Original im Ohr hersagt, sollte nicht mehr viele Einwände erheben. Hoffe ich.

Aus Pragmatik sind manche Stellen wörtlich übersetzt, andere nachgedichtet — was dem Original insofern strukturell entspricht, als ab der 5. Strophe eigentlich ein neues Gedicht anfängt. Die letzte Strophe mag ich recht gerne. Das liegt großenteils am Rohstoff der Vorlage und ist darum ganz ordentlich geraten, finde ich in meiner grenzenlosen Bescheidenheit.

——— John Donne:

Der Köder

Komm her zu mir und leb mit mir,
Gar neue Freuden zeig ich dir
An kristallenem Bach auf goldenem Sand
Mit silbernem Haken an seidenem Band.

Wo dein Auge den murmelnden Fluss erblickt,
Das ihn noch mehr denn die Sonne erquickt,
Wird sich das Fischvolk in dich verlieben
Und sehnen, mit dir den Treubruch zu üben.

Alexander Scott Harris, Marandah Chaffée, Light Reading, 25. Januar 2016Badest in all diesem Leben du dann,
Kommt jeder Fisch, welcher mit Drum und Dran
Bestückt, gleich entzückt zu dir hingeschwommen
Und nimmt dich froher, als wenn du ihn genommen.

Ist dir dergleichen abschlägig beschieden,
Deine Blöße dem Mond und der Sonne zu bieten,
Verfinsterst du beide. Wie bescheidest du mich?
Ich bedarf ihres Lichts nicht, denn ich hab ja dich.

Sollen andre frieren, bluten
In Schilf und Rohr, mit Angelruten
Und Schlingen und Reusen und löchrigen Netzen
Sich selber täuschen und die Fische verletzen.

Sollen ruppige Hände an den Ufern sich schinden,
Schleimigen Nestern die Brut zu entwinden
Und durch Verrat mit hemdseidnen Fliegen
Das schweifende Auge des Fisches zu trügen.

Denn du bedarfst nicht solcher List,
Weil du dein eigner Köder bist:
Der Fisch, der dem entwischt, ist leider
Um einiges als ich gescheiter.

Ich veröffentliche hier meine Versuche nach einer angemessen Zeitspanne, weil weder Hille sie verwendet noch Sony sie bezahlt hat, und da inzwischen wohl auch nichts mehr nachkommt.

Bilder: Alexander Scott Harris (Fotos) & Marandah Chaffée (Model & Text):
Light Reading, January 25th, 2016:

I venture to Greenpoint to meet Alex on a Monday afternoon…

I gasp out loud and make some silly exclamation when I discover his bedroom wall collage of 35mm prints. I’m a fan. There is something distinctly overlapping in our documentary style.

I ask to borrow a white t-shirt and make myself comfortable in my favorite underwear, a ridiculously old Victoria’s Secret cotton thong in cheetah print. His roommate Moto offers the use of his bedroom window and a couple Camel Crush cigarettes.

Alex asks if I have any ginger friends and can I please introduce them so he can photograph them. I do. I smoke the Camels and read the teachings of Hermes from the pages of The Kybalion.

We laugh at the normalcy of hanging out half dressed, discussing life philosophy. “Do you always go this deep?” he asks.

I ask if I can smoke some weed. Alex asks if it will make me all “squinty eyed.”

We carry on for hours like old friends. I take some selfies. We say our goodbyes.

I forget my book upstairs.

Soundtrack: Genau das, genau von dort.

Written by Wolf

29. Juni 2023 um 00:01

Veröffentlicht in Ehestand & Buhlschaft, Renaissance

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